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Dick durch Süßstoffe: Können Stevia und Aspartam tatsächlich der Gewichtskontrolle schaden?
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Stell dir vor, du stehst im Supermarkt vor dem Getränkeregal. In der einen Hand eine klassische Cola, in der anderen die Light-Variante – ganz ohne Zucker, aber mit Süßstoffen. Vielleicht hast du im Kopf, dass Zucker schlecht für die Figur ist.
Doch dann erinnerst du dich an Schlagzeilen und Warnungen, dass auch Süßstoffe dick machen könnten. Einige Ärzte und Medien behaupten sogar, dass kalorienfreie Softdrinks den Körper „austricksen“, Heißhunger fördern und indirekt zur Gewichtszunahme führen. Wäre es da nicht besser, gleich zur normalen Cola zu greifen?
Diese Überzeugung scheint durch wissenschaftliche Studien gestützt zu werden. Denn tatsächlich zeigen große Beobachtungsstudien: Menschen, die häufiger zu Light-Getränken greifen, haben im Durchschnitt ein höheres Körpergewicht.
Doch bedeutet das automatisch, dass Süßstoffe die Ursache für Übergewicht sind? Oder steckt hinter dieser Erkenntnis ein ganz anderer Zusammenhang?
In diesem Artikel gehen wir genau dieser Frage nach. Wir schauen uns an, was die Studien wirklich aussagen, erklären, warum Beobachtungsstudien mit Vorsicht zu interpretieren sind und zeigen auf, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es zum Einfluss von Süßstoffen auf das Körpergewicht gibt.
Lies also weiter, die Antwort könnte dich überraschen.
Dick wegen Insulinausschüttung durch Süßstoffe?

Süßstoffe wie Aspartam, Saccharin oder Stevia stehen immer wieder in der Kritik, die Gewichtsregulation negativ zu beeinflussen, wobei insbesondere die Rolle des Hormons Insulin häufig thematisiert wird.
Die Argumentation basiert auf der Annahme, dass der süße Geschmack zu einer Insulinausschüttung führen könnte, obwohl keine Kalorien aufgenommen werden. Dies soll wiederum die Fettverbrennung hemmen und langfristig eine Gewichtszunahme begünstigen.
Doch was sagt die Wissenschaft dazu?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass die Insulinausschüttung in erster Linie durch den Blutzuckerspiegel reguliert wird. Glucose – also Zucker – ist der Hauptstimulus für die Freisetzung von Insulin. 1
Da Süßstoffe keine oder nur verschwindend geringe Mengen an Kalorien enthalten, haben sie keinen signifikanten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Dies ist ein gut belegter Mechanismus und für Menschen mit Diabetes von hoher praktischer Bedeutung.
Um diesen Sachverhalt zu überprüfen, haben Forscher aus den USA 2018 eine systematische Übersichtsarbeit anhand einer Meta-Analyse veröffentlicht. Die Analyse umfasste 29 Studien mit insgesamt 741 Probanden und kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Süßstoffe keinen relevanten Einfluss auf den Insulinspiegel haben. 2
Eine weitere Meta-Analyse aus dem Jahr 2020 bestätigte diese Erkenntnis: Süßstoffe sind nicht insulinogen, was bedeutet, dass sie keine Insulinausschüttung auslösen. 3
Doch selbst wenn Süßstoffe eine minimale Insulinreaktion hervorrufen würden, wäre dies nicht gleichbedeutend mit einer Gewichtszunahme. Insulin ist ein anaboles Hormon, das unter anderem die Speicherung von Nährstoffen reguliert, aber es führt nicht automatisch zu einer Fetteinlagerung. 1
- Was Insulin wirklich in deinem Körper bewirkt, erfährst du im verlinkten Artikel.
Entscheidend für eine Gewichtszunahme ist ein anhaltender Kalorienüberschuss – also eine höhere Energiezufuhr im Vergleich zum Energieverbrauch.
Betrachtet man den tatsächlichen Kaloriengehalt von süßstoffhaltigen Getränken, wird dieser Zusammenhang besonders deutlich: Eine 500-ml-Portion eines zuckerfreien Softdrinks enthält nahezu 0 kcal, während die gleiche Menge der zuckerhaltigen Variante etwa 50 g Zucker und damit rund 200 kcal liefert.
Während zuckerhaltige Getränke kaum sättigen und es leicht ist, hohe Kalorienmengen unbemerkt zu konsumieren, bieten Süßstoffvarianten eine kalorienfreie Alternative, die sich potenziell sogar positiv auf die Gewichtskontrolle auswirken kann.
Die Annahme, dass Süßstoffe indirekt eine Gewichtszunahme verursachen, indem sie Insulin freisetzen und dadurch die Fettverbrennung blockieren, ist daher wissenschaftlich nicht haltbar.
Vielmehr zeigen große Übersichtsarbeiten, dass Süßstoffe eine effektive Strategie sein können, um Kalorien einzusparen und eine langfristige Gewichtsregulation zu unterstützen.
Führt ein verändertes Süßempfinden durch den Zuckerersatz zur Gewichtszunahme?
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Eine häufig geäußerte Sorge hinsichtlich des Konsums von Süßstoffen ist, dass diese das individuelle Süßempfinden verändern und die Präferenz für süße Lebensmittel erhöhen könnten. Dies soll dazu führen, dass Betroffene insgesamt einen erhöhten Zuckerkonsum haben und so unbewusst ihre Kalorienaufnahme steigern.
Eine weitere Annahme besagt, dass der Konsum kalorienfreier Softdrinks dazu verleiten könnte, an anderer Stelle größere Mengen an energiereichen Lebensmitteln zu konsumieren, weil man sich durch die eingesparten Kalorien unbewusst mehr erlaubt.
Beide Argumente erscheinen zunächst plausibel und mögen in individuellen Fällen zutreffen. Allerdings gibt es bislang keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass diese Mechanismen generell zu einer Gewichtszunahme führen.
Persönliche Erfahrungsberichte oder Anekdoten können zwar wertvolle Hinweise liefern, reichen jedoch nicht aus, um allgemeingültige Schlüsse zu ziehen.
Wissenschaftlich belastbare Aussagen erfordern kontrollierte Untersuchungen, in denen systematisch geprüft wird, welche Faktoren tatsächlich Einfluss auf das Körpergewicht haben.
Die aktuelle Studienlage spricht eher gegen die Annahme, dass Süßstoffe langfristig das Körpergewicht erhöhen.
So zeigte eine 2023 veröffentlichte Langzeitstudie mit einer Laufzeit von 52 Wochen, dass der Konsum von zuckerfreien Softdrinks bei übergewichtigen Teilnehmern zu einem stärkeren Gewichtsverlust führte als der Konsum zuckerhaltiger Getränke. 4
Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2022, die 17 Studien mit insgesamt über 1700 Probanden auswertete, kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Personen, die kalorienfreie Softdrinks tranken, verloren mehr Gewicht als jene, die auf gezuckerte Alternativen setzten. 5
Zwei weitere Meta-Analysen bestätigen diese Resultate. 67
Trotz dieser eindeutigen Datenlage hält sich das Narrativ, dass Süßstoffe zur Gewichtszunahme beitragen, hartnäckig. Dies liegt vor allem daran, dass sich viele dieser Behauptungen auf epidemiologische Studien stützen.
In solchen Beobachtungsstudien werden große Bevölkerungsgruppen über einen langen Zeitraum beobachtet, um mögliche Zusammenhänge zwischen Ernährungsverhalten und Körpergewicht zu identifizieren.
Wissenschaftler raten jedoch dazu, solche Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da sie lediglich Korrelationen aufzeigen, aber keine kausalen Zusammenhänge beweisen können.
Zwar zeigen diese Analysen häufig eine Korrelation zwischen dem Konsum von zuckerfreien Softdrinks und Übergewicht, jedoch kann aus einer Korrelation keine Kausalität abgeleitet werden. 8
Es bleibt unklar, ob der Konsum von Süßstoffen tatsächlich die Ursache für eine Gewichtszunahme ist oder ob andere Faktoren – wie bereits bestehendes Übergewicht oder eine insgesamt ungünstige Ernährungsweise – eine Rolle spielen.
Um verlässliche Aussagen treffen zu können, müssen Interventionsstudien herangezogen werden. In diesen Studien werden Probanden gezielt in Gruppen eingeteilt, die entweder Süßstoffe konsumieren oder nicht, sodass direkte Vergleiche möglich sind.
Besonders bemerkenswert ist, dass einige dieser Interventionsstudien zeigen, dass zuckerfreie Softdrinks beim Abnehmen sogar effektiver sein können als Wasser. In diesen Untersuchungen verloren Teilnehmer, die regelmäßig kalorienfreie Softdrinks tranken, mehr Gewicht als jene, die ausschließlich Wasser konsumierten. 9
Diese Ergebnisse lassen sich logisch erklären: Süßstoffe enthalten keine oder nur minimale Kalorien. Durch ihren Einsatz lassen sich hohe Kalorienmengen aus zuckerhaltigen Getränken einsparen, ohne dass zwangsläufig ein Mehrkonsum an anderer Stelle erfolgen muss.
In der Praxis könnten Süßstoffe daher eine sinnvolle Strategie zur Gewichtskontrolle darstellen – vorausgesetzt, die Gesamtkalorienbilanz bleibt im negativen Bereich.
Also doch dünn durch Zuckeraustauschstoffe wie Stevia?
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Nun stellt sich natürlich die Frage, ob der Konsum von Süßstoffen wie Stevia oder Aspartam tatsächlich beim Abnehmen helfen kann?
Grundsätzlich gilt: Eine Reduktion der Kalorienzufuhr ist die zentrale Voraussetzung für Fettverlust. Süßstoffe enthalten kaum oder gar keine Kalorien, was sie zu einer potenziell hilfreichen Alternative zu Zucker macht.
Dennoch bedeutet der Verzicht auf 200 Kalorien aus einem Softdrink nicht automatisch, dass dadurch Gewicht verloren geht – entscheidend ist die gesamte Energiebilanz über einen längeren Zeitraum.
Die allgemeine Empfehlung für eine nachhaltige Gewichtsabnahme bleibt ein kontrolliertes Kaloriendefizit in Kombination mit einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung.
Eine interessante Beobachtung aus Studien ist jedoch, dass der Einsatz von Süßstoffen die sogenannte Adhärenz, also die langfristige Einhaltung eines Ernährungsplans, verbessern kann. Der Grund: Wer während einer Diät weiterhin süße Geschmäcker genießen kann, empfindet weniger Verzicht und hält sich eher an das geplante Kaloriendefizit. 10
Viele Menschen, die versuchen abzunehmen, scheitern nicht an der Theorie, sondern an der praktischen Umsetzung, insbesondere an Heißhungerattacken oder dem Gefühl, sich ständig etwas verbieten zu müssen.
Süßstoffe bieten hier eine Möglichkeit, den „süßen Zahn“ zu befriedigen, ohne Kalorien aufzunehmen, was in vielen Fällen die langfristige Ernährungsumstellung erleichtern kann.
Darüber hinaus können zuckerfreie Softdrinks eine effektive Alternative zu hochkalorischen Getränken und Snacks sein.
Wer beispielsweise regelmäßig Limonade oder gesüßte Kaffeespezialitäten durch Getränke mit Süßstoffen statt Zucker ersetzt, spart langfristig eine erhebliche Menge an Kalorien ein – ohne dass sich das Verlangen nach Süßem zwangsläufig erhöht.
Trotz dieser Vorteile sind Süßstoffe keine Fat-Burner und auch nicht notwendig für eine erfolgreiche Gewichtsabnahme. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung in Kombination mit einem Kaloriendefizit bleibt der entscheidende Faktor.
Dennoch lässt sich anhand der wissenschaftlichen Datenlage festhalten, dass Süßstoffe ein praktisches Werkzeug sein können, um eine Diät nachhaltiger und alltagstauglicher zu gestalten – anstatt sie als Hindernis für die Gewichtskontrolle zu betrachten.
Wenn du wissen möchtest, welche Süßstoffe tatsächlich sicher sind, dann lies am besten diesen Artikel: Welcher Süßstoff ist unbedenklich? (19 Studien)
Fazit: Die nicht weniger süßen Zucker-Alternativen machen nicht dick
Die Annahme, dass kalorienfreie Softgetränke zur Gewichtszunahme beitragen, lässt sich wissenschaftlich nicht belegen.
Ganz im Gegenteil: Mehrere Meta-Analysen mit einer hochwertigen Datenqualität zeigen, dass der Einsatz von Süßstoffen in der Ernährung tendenziell mit einer Gewichtsreduktion in Verbindung steht, insbesondere wenn sie gezielt als Ersatz für zuckerhaltige Getränke verwendet werden.
Übergewicht stellt sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene eines der größten gesundheitlichen Probleme unserer Zeit dar. Es erhöht nachweislich das Risiko für eine Vielzahl schwerwiegender Erkrankungen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, bestimmte Krebsarten und degenerative Gelenkerkrankungen.
Eine langfristige Gewichtskontrolle ist daher ein wichtiger Faktor für die Prävention und allgemeine Gesundheit.
Süßungsmittel sind dabei kein zwingend notwendiges Hilfsmittel, aber sie können eine sinnvolle Option sein, um die tägliche Kalorienaufnahme zu reduzieren, ohne auf süßen Geschmack verzichten zu müssen.
Dennoch sollte der Fokus immer auf einem ganzheitlichen Ansatz liegen, der neben der Ernährung auch regelmäßige Bewegung und eine gesunde Lebensweise umfasst.
Es geht nicht darum, zuckerfreie Süßstoffe als essenziellen Bestandteil einer gesunden Ernährung zu propagieren, sondern vielmehr darum, Mythen und Fehlinformationen kritisch zu hinterfragen.
Basierend auf der aktuellen Studienlage spricht nichts dafür, dass Süßstoffe eine Gewichtszunahme fördern – vielmehr können sie in einem bewussten Ernährungsansatz dazu beitragen, Übergewicht zu reduzieren und damit das Risiko für viele ernährungsbedingte Krankheiten zu senken.
Wissenschaftliche Nachweise
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